Biss Marienplatz

BISS_Vekäufer_Marienplatz

“Ich arbeite schon viele Jahre für die BISS. Ich bin wieder seit 2014 festangestellt und lebe komplett vom Verkauf. 
Diese Idee mit der Festanstellung ist ja einzigartig. Andere Städte wie Hamburg haben viel größere Zeitungen, aber da ist keiner angestellt. So muss ich zwar auch was an den Staat abdrücken, aber ich hab auch eine Sozialversicherung. Wenn ich krank bin, krieg ich trotzdem mein Geld. Und ich kann zum Arzt, wie Sie auch.

Die Frau Denninger hatte diese Idee und hat es dann auch umgesetzt. Das war ja gleich am Anfang -kurz nachdem die BISS 1993 gegründet wurde. Sie hat den Mooshammer an Land gezogen: nicht nur als Figur, sondern auch finanziell. Er hat uns immer viel unterstützt und sogar jetzt noch: Die Erben Mooshammer unterstützen uns ja auch noch heute.

Beim Verkauf geht es immer in 200er Schritten. Für die Festanstellung muss man mindestens 400 Magazine verkaufen. Dann kann man sich auf 600, 800, 1000, 1200 und dann sogar auf 1600 verkaufter Exemplare einstufen lassen. Aber die 1600 schafft nur einer. Der kommt nachher noch hierher. Er ist erst vor einiger Zeit 80 geworden und da haben sie hier sogar richtig gefeiert. Die Überraschung war, dass dann der Bischof sich die Geige geschnappt hat und ihm ein Ständchen gespielt hat. Aber nicht irgendwie stümperhaft, sondern so richtig gut.

Erst hab ich 600 Exemplare pro Monat verkauft, aber irgendwann kam der Chef und hatte die glorreiche Idee, mich auf 800 hoch zu stufen. Das hab ich dann auch geschafft und seit dem wurde ich auch nie wieder runter gestuft und verkaufe meine 800. Das ist wirklich ein gutes Gefühl.

Ich kann mir die Zeit komplett selbst einteilen. Ich arbeite an 6 Tagen in der Woche. Den Sonntag mach ich frei. Natürlich mach ich auch mal einen Nachmittag frei. Viele verkaufen bis zu 10 Stunden. Aber manchmal kann man das gar nicht so lange. Als es gerade so kalt war, ging das gar nicht. Auch wenn die U-Bahnhöfe ein bisschen wärmer sind: es ist doch auch saukalt geworden.

Ich mach den Job echt wirklich gerne. Natürlich ist es hart, 6 Tage zu arbeiten, aber das macht der Blumenverkäufer auch, der seine Blumen verkaufen möchte.

Und trotzdem wird man hier oft doof angemacht. Die Leute schauen auf uns runter und schätzen dich falsch ein. Vor kurzem ging an mir einer vorbei im Anzug und Mantel und hat mich sehr hochnäsig angesehen. Kaum war er um die Ecke hat er sich einen Flachmann aus der Jacke gezogen. Da musste ich schon ziemlich lachen: hochnäsig auf uns runter kucken und dann so früh den Schnaps brauchen. Ich brauche keinen Schnaps morgens um 6 Uhr! Ein Bierchen, vielleicht auch mal zwei, aber ich sauf nicht. Und wenn ich mal ein Bierchen trinke, dann erst nach Feierabend. Mei, als ich jung war schon. Ich hab mein Leben gelebt. Aber heute nicht mehr. Die letzten beiden Silvester hab ich sogar komplett ohne Alkohol verbracht. Da war ein Freund dabei, der ein trockener Alkoholiker ist und da haben wir dann einfach alle nichts getrunken. 
Aber die Typen, die uns blöd daher kommen, brauchen nur ein Ventil. Die wissen, dass die Verkäufer sich nicht wehren können. Die machen die Aldi-Verkäuferin aber genauso doof an, wenn sie mal 2 Minuten warten müssen. Meistens kann ich das ganz gut ignorieren, aber natürlich lass ich mir auch nicht alles gefallen. Als mir mal eine Frau das Geld einfach auf den Boden geworfen hat, hab ich sie gefragt, ob ich ihr die Zeitung auch vor die Füße schmeißen soll.

Gegen Naziparolen bin ich allerdings allergisch. Einmal kam einer und wollte mir eine Zeitung abkaufen und rief dabei immer Naziparolen. Dem hab ich gesagt: “Ich verkaufe Ihnen keine BISS!” Eigentlich wollte er sich über mich beschweren, aber ich hab mich erkundigt: er hat es nie getan. Ich muss niemandem etwas verkaufen – ich darf Leuten das verweigern. Und Naziparolen mag ich echt nicht. Viele schimpfen auf die Bulgaren und wir haben auch viele rumänische Kollegen inzwischen. Es kommen einige hierher, weil sie zu Hause keine Arbeit finden. Gerade bei den Putzleuten – z.B. hier am Marienplatz, am Stachus und am Hauptbahnhof – das sind ganz viele Rumänen dabei, weil sie gar keine Deutschen mehr finden bei dem Mindestlohn. Ich finde nur, dass jeder seine Gründe hat und daher können wir nicht alle über einen Kamm scheren

Aber ich verkaufe die BISS nicht nur, sondern ich schreibe auch für sie. In der Schreibwerkstatt kann man Artikel schreiben und man ist wie ein freier Journalist: wenn man Glück hat und es wird abgedruckt, bekommt man dafür das Geld. Das macht ja auch Sinn, denn in der Zeit, in der ich schreibe, kann ich ja auch keine Zeitungen verkaufen. Ich hab schon Artikel über Willy Brandt oder auch über die Polizei geschrieben. Oder aber auch über persönliche Geschichten, wie meine Freundin, die lange im Rollstuhl saß und die ich sie gepflegt habe. Sie ist jetzt vor kurzem gestorben und da hab ich auch einen Artikel geschrieben.

Ich hab auch mal über die Polizei, den Freund und Helfer geschrieben. Über persönliche Verbindungen kenne ich sogar zwei Kontakt-Polizisten. Die sind wirklich nett und ich habe auch noch nie Probleme mit Polizisten gehabt. Natürlich gibt es auch junge Polizisten, die noch nicht genug Erfahrungen haben, aber die meisten sind wirklich nett. Wenn sie mehr Erfahrung haben, ist ihnen die soziale Stellung wurscht und sie behandeln dich wie jeden anderen.

Ich mag diesen Job als Verkäufer sehr. Ich mache ihn ja auch schon echt lange. 2003 bin ich nach München gekommen. Vorher habe ich auf dem Bau und als Schausteller gearbeitet. Hier hatte ich dann eine böse Trennung: ich habe meine Freundin, der ich gerade einen Heiratsantrag stellen wollte, mit einem anderen im Bett erwischt. Ich hab zwei Wochen lange durchgesoffen, meinen Job verloren und dann ging alles ziemlich schnell bergab. Als ich bei der BISS als Verkäufer angefangen habe, wollte ich erst mal keine Festanstellung, auch wenn sie es mir angeboten haben. Aber das wollte ich nicht denn ich hatte ich noch ein anderes Ziel. Ich wollte ja nicht immer BISS verkaufen. Ich war ja mit 38 Jahren noch relativ jung. Die meisten fangen deutlich später an. Als ich dann nach dem Tod meiner Freundin, die ich im Rollstuhl gepflegt habe, wieder eingestiegen bin, hab ich die Festanstellung endlich angenommen. Und wahrscheinlich mach ich das noch bis zum Ende.

Aber ich mach den Job wirklich sehr gerne. Es gibt vieles Erfreuliches: viele Gespräche, man kennt sich, ich habe nette Stammkunden und ich habe meinen Freundeskreis auch so aufbauen können. Jeder weiss darüber Bescheid, was ich mache – ich erzähle ja keinem, dass ich Blumen verkaufe.”

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