“Gerade ist es besonders spannend, in der Politik zu sein, aber es sind teilweise auch ganz schön schwierige Zeiten. Die letzten Jahre war eine Phase, in der es Deutschland – und Bayern sowieso – wirtschaftlich gut ging. Alles hat sich in der Mitte gedrängelt und die Parteien waren nicht mehr ganz so deutlich unterscheidbar und die Politik gestaltete sich etwas ruhiger. Jetzt ist vieles in Bewegung im Parteiensystem und einiges radikalisiert sich leider. Das macht es auf der einen Seite zwar spannender, aber auf der anderen Seite wird es vor allem auch notwendiger, dass man vernünftige, sachorientierte Politik macht, um gegen aufkommende Polarisierungstendenzen zu kämpfen. Wenn man sich im Landtag so umhört, dann machen sich viele Sorgen, dass sich gerade diejenigen, die vorher vielleicht in der Mitte waren, jetzt radikalisieren. Insofern, ist es sicher aufregender aktuell Politik zu machen, aber sicher manchmal auch unangenehmer. Aber ich bin ja nicht nur angetreten, um angenehme Zeiten zu erleben. Politik muss auch streitbar sein.
Politik fängt ja eigentlich schon im Klassenzimmer an, wenn den Schülern bewusst wird, dass sie selber etwas verändern können. Politik beginnt ganz nah am Menschen. Man kann das ganz schön am Beispiel München verdeutlichen: Vielen Leuten wird zum Beispiel bewusst, dass sich die Isar verändert: es gibt mehr Griller, mehr Müll , mehr Lärm und mehr Schlauchboote. Dann überlegen sie sich, ob sie das gut finden oder nicht. Oder eben die Frage: Bin ich für die Mountainbiker auf den Isartrails oder bin ich dagegen. Und wer sich dann für oder gegen eine dieser Sachen engagiert, der macht Politik. Meistens ist diese Art von Politik auch das Wirksamste. Natürlich gibt es auch einige Leute, die gleich viel weiter oben, im Abstrakten ansetzen, aber das sind häufig Menschen, die stärker am theoretischen Diskurs interessiert sind. Die meisten kommen zur Politik, weil sie etwas ganz Konkretes ändern wollen und die bleiben dann auch meistens länger dabei. Das mag der Bebauungsplan sein, der Kitaplatz, die Schulwahl für das Kind. Man kann so viel bewegen und das ist für die Demokratie ganz entscheidend. Meiner Meinung nach haben wir leider noch zu wenig Menschen, die sich politisch engagieren.
Ich finde es wichtig festzustellen, dass man wirklich etwas verändern kann. Man sollte nicht mit dem Satz kommen: “Da kann man ja sowieso nichts machen.“. Denn wenn man so anfängt, dann überlässt man es den anderen, über sich zu bestimmen. Mir ist völlig klar, dass es für viele schwierig ist, im Kleinen etwas zu bewegen. Die meisten haben genug Probleme: der Arbeitsplatz, die Beziehung, die Hobbies, vielleicht sind auch Kinder da und sie wollen in den Urlaub gehen. Da dann zusätzlich am Abend noch zu versuchen, politisch etwas zu bewegen – das ist oftmals schwierig. In den Parteien voran zu kommen ist besonders mühsam, denn da geht es viel um Strukturen, und es geht alles nicht so schnell. Daher halte ich kleinere Bürgerinitiativen immer für etwas, was ganz viel nutzt. Da wird viel bewegt und oft ist es ganz erstaunlich, wie viel Fachwissen vorhanden ist. Aber gerade diejenigen, die vielleicht im Moment gar keine Probleme oder konkrete Themen haben, für die sie gerne kämpfen würden, auch für diejenigen würde ich mir wünschen, dass sie mehr politisieren. Und wenn es nur darum geht, mehr miteinander zu reden, zu diskutieren oder auf einer Party über Politik zu sprechen.
Ich finde es wirklich wichtig, dass die Leute sich einmischen und sich irgendwo engagieren – egal wofür. Ich wünsche mir, dass sie dieses Geschenk annehmen. Denn es ist ein riesiges, erkämpftes Geschenk, dass wir eine Demokratie haben und mitbestimmen und mitwirken können. Ich wünsche mir, dass man das annimmt, und es jeder für sich tut und nicht zu früh aufgibt.”
Ich habe Herrn Piazolo im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Bellevue de Monaco getroffen und danach die Möglichkeit ergriffen, mit ihm ein paar Mintuen zu sprechen. Ich hoffe, dass ich auch noch andere Teilnehmer aus der Runde interviewen kann.