Auf die Straße! Fridays for Future

Die Medien berichtent darüber und am 7. Streiktag war ich auch dabei: beim Friday for Future am Marienplatz. Ich habe einige der Demonstranten befragt und ein paar spannende Aspekte einfangen können. Über die nächsten Tage werde ich die einzelnen Porträts hier zeigen.

Dabei haben mich Fragen umgetrieben wie: Was sagt denn die Generation Z oder iGeneration zum Klimawandel? Was tun sie denn selber dafür oder dagegen? Welche Themen treibt sie denn auf die Straße, dass sie an einem Februar-Vormittag die Schule schwänzen und Plakate in die Höhe strecken? Und welche Lösungen sehen sie denn selber? Wer geht denn sonst noch mit auf so einer Demo?

Fridays for Future – 2

“Es ist wichtig, dass es nicht nur einzelne hier sind. Wir wollen ja etwas bewirken, und das erreichen wir, wenn ganz viele auftreten. Daher hat unser ganzer Jahrgang beschlossen hierher zu gehen. Unsere Eltern unterstützen uns gottseidank und auch unsere Lehrer haben uns bestärkt, nach dem Motto: es geht um Eure Zukunft. Geht da hin!” Dafür sind wir sehr dankbar.”

Fridays for Future

“Ich denke, man könnte schon einiges bewirken: Kerosin höher besteuern, damit die Bahn wieder billiger wird gegenüber einem Flug oder den Nahverkehr ausbauen sind nur einige Punkte. Meiner Meinung nach bräuchten wir mehr Gesetze wie das Verbot von Einwegplastik, um die Leute bei Dingen zu beschränken, die sie wirklich nicht brauchen. Es geht nicht darum, den Leuten das zu nehmen, auf was sie nicht verzichten können – wie warmes Wasser zum Beispiel. Aber man sollte die Dinge einschränken, die man eigentlich nicht wirklich braucht – wie eben zum Beispiel Pappteller.

Ich glaube, dass wir Gesetze brauchen, um etwas zu bewegen, weil die Menschen einfach zu bequem sind – und das ist ihnen ja nicht mal zum Vorwurf zu machen. Aber eine bestimmte Bequemlichkeit können wir uns einfach nicht mehr leisten.”

Im Rahmen der Demonstrationen der Fridays for Future habe ich ihre bewegenden Rede angehört und danach haben wir gemeinsam über die unterschiedlichen Möglichkeiten gesprochen, wirklich etwas zu verändern.

Mit der Erlaubnis der Rednerin darf ich hier auch die Rede wiedergeben. Besten Dank dafür!

Warum wir hier sind.

Wir sind jung und engagiert.
Doch fragt ihr uns, doch fragen wir uns, wie lang soll das noch so gehen?
Wie lang können wir noch weiter jeden gottverdammten Freitag einfach nur hier stehn?
Mit dem Anliegen, was wir haben, was stehen bleiben nicht gewährt, fühlen wir uns trotz der Rolle, die wir hier grad haben, wenig nur geehrt.
Denn wir sind jung, haben Vorbilder wie „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, es wär‘ nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“
Und so fragen wir uns doch: Was ist es denn, was bleibt?
Klimawandel ist längt real, das haben wir verstanden, bei einem Grad sind wir schon, wir müssen endlich handeln.
Und wir müssen endlich handeln, denn 0,5 das ist jetzt nicht so viel.
Das ist, was wir noch an Erwärmung ertragen, das ist nicht nur ein Ziel.
Das ist eine Grenze, in genau der harten Bedeutung, die das Wort impliziert.
Überschreiten wir die in Grenze, ist es nicht mehr irgendwer, die verliert. Sind es wir, die hier stehen.
Die nicht bitten, aber fordern, die rufen und laut sind, auch bei Kälte noch hier draußen sind. Wir bitten nicht mehr, weil es dafür längst du spät ist.
Dieses „fünf vor zwölf“ das können wir nicht mehr hören und das trifft es auch nicht, denn Klimawandel haben wir jetzt schon und das trifft uns ins Gesicht.
Wir sind schon bei einem Grad!
Das ist kein: „Der Klimawandel fängt in fünf Minuten an, bitte begeben Sie auf Ihre Plätze.“
Das ist ein: Wir sind schon mitten drin und brauchen JETZT Klimaschutzgesetze!
Aber wir sind nicht alleine mit unseren Forderungen an die Politik und wir sind nicht die einzigen, die sagen, wir müssen.
Es gibt da noch ganz andere, die im Gegensatz zu uns auch mal die ein oder andere Politiker*innenhand küssen.
Aber das wollen wir nicht und das ist gut so!
Wir wollen nicht vor Menschen krauchen, das machen wir als junge Generation oft genug.
„Ihr habt nicht die Erfahrung.“, das können wir nicht mehr hören.
Wir wollen jetzt, dass alte Menschen auf diese Meinung schwören.
Denn das mit dem Klimawandel das hat Greta nicht letzten August rausgefunden.
Es ist schon ewig bekannt, dass diese Welt so wird nicht gesunden.
Das ist keine Idee von uns jungen und das auch nicht unser Traum, unser Anspruch an eine Zukunft.
Das ist, was alte Menschen sagen mit Inbrunst.

Aber ihr hört ihnen nicht zu und so müssen WIR zu Mitteln greifen, aus Angst, dass es Menschen gibt, die heute unsere Zukunft verspeisen.
Und das machen wir! Woche für Woche stehen wir hier! Der siebte Freitag nun in Folge.
Und das nur in München, dafür könnte uns ein Bildungsminister ja vielleicht noch lynchen, aber nicht nur hier und nicht nur wir.
Wir sind viele, wir sind überall und wenn wir wirklich schwänzen wöllten, dann fragt euch doch mal:
Warum draußen und mit Schildern?
Ihr sagt doch immer, das chillen können wir gut und wir wissen auch umzugehen mit bewegten Netflix-Bildern.
Wer chillen will, der/die macht das schon, auch ohne FFF, aber das sind grad nicht wir. Denn gechillt wird seit Jahren und wenn jemand sagt, sie könne sich nicht vorstellen, dass Klimaschutz nun auf einmal für alle Schülerinnen was wichtiges sein mag, dann gebe ich nur zurück:
Nicht von sich auf andere schließen, bringt einem manchmal das Lösungsstück.
Nein wir sind hier, weil wir etwas tun wollen, etwas tun müssen!
Es ist nicht unsere Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, heißt es.
Aber wenn das so, ist, warum liegt es dann an uns, diese Schuld, die wir nicht auf uns geladen haben, auszubaden.
Das sehen wir nicht ein.
Und wir haben Angst.
Nicht vor Verweisen, sondern davor, was drei bis vier Grad auf die wir gerade zusteuern, wirklich bedeuten.
Denn das ist, was die Welt bewegen sollte.
Wie kommen wir runter von dieser Zahl und nicht von irgendeiner vier in Sport?
Und deswegen an die nach wie vor nicht handelnde Politik, heute auch mal wieder ein wenig Kritik.
Wir riskieren keine Verweise, um im Februar draußen stehen zu können und dann zu hören, das könnten wir doch alles noch gar nicht wissen.
Wir wissen genug, um zu verstehen und das ist der Grund, warum wir trotz Strafandrohung gehen.
Und wenn jemand denkt, er*sie können uns schwächen, dann hat diese Person, wohl noch nicht begriffen.
Denn das Problem dieser Erde, sind nicht junge Menschen, die ihren Kunstunterricht ausfallen lassen,
sondern Menschen, die uns an den Pranger stellen, dass wir unsere Zukunft und einen lebenswerten Planeten einfordern, den ihr uns verspielt habt!

Wir sind laut

“Wir sind hier gegen den Klimawandel zu demonstrieren, denn wir finden, dass man das nicht einfach geschehen lassen kann. Wir müssen etwas tun! Da die Politik zu wenig tut, sind wir heute da, um darauf aufmerksam zu machen. Die Älteren, die die Politik machen, betrifft es nicht mehr so sehr. Aber es geht um unsere Zukunft und die unserer Kinder. Wir wollen in Frieden leben und in einer Welt, die nicht verschmutzt ist oder das Meer voll Plastik.”

Positiv

“Ich bin Afrikanerin und lebe seit 20 Jahren glücklich in Deutschland. Mir ist wichtig, über das Positive zu sprechen. Es gibt so viel Schreckliches auf der Welt, aber mir ist noch nie was Schlimmes passiert und ich will mich auf die schönen und guten Dinge im Leben konzentrieren. In mir steckt so viel Power und mit dieser Kraft gebe ich mein Bestes, diese Welt zu einen besseren Ort zu machen.

Um ehrlich zu sein, war schon immer so. Hier ist ein Bild aus meiner Schulzeit. Alle kucken ernst und ich bin die einzige, die über das ganze Gesicht strahlt auf dem Foto. So bin ich einfach und ich bin sehr dankbar dafür, dass Gott mir das gegeben hat!

“ich bin die einzige, die über das ganze Gesicht strahlt auf dem Foto”

Die Welt ist kleiner und mehr multikulti geworden. Ich finde schön, dass die Menschen lernen, miteinander zu leben. Ich bin mit einem Deutschen verheiratet und wir bringen uns täglich unsere Kulturen näher. In meinem Afro-Laden in Weilheim ist meine Kundschaft hauptsächlich deutsch und das liegt sicher auch daran, dass ich gerne das Wissen über meine Heimat weitergebe. Dadurch bin ich auch ständig in der Presse und mit dem Bürgermeister viel in Kontakt. Ich dolmetsche auch immer mal wieder für Flüchtlinge. Ich möchte einfach Deutschland und Afrika ein bisschen näher zusammenbringen.

Dieses Gespräch war mal wieder mir eine wirkliche Bereicherung und hat mir gezeigt, warum ich diesen Blog so gerne machen: weil ich so wundervolle Menschen kennenlernen darf. Das stand vor allem im starken Kontrast zu dem Gespräch vorher, in dem eine “Original-Münchnerin” nur davon sprach, dass alles Schlechter geworden ist seit ihrer Kindheit und dass sie so schrecklich Angst hat inzwischen auf der Straße.

Biss Marienplatz

BISS_Vekäufer_Marienplatz

“Ich arbeite schon viele Jahre für die BISS. Ich bin wieder seit 2014 festangestellt und lebe komplett vom Verkauf. 
Diese Idee mit der Festanstellung ist ja einzigartig. Andere Städte wie Hamburg haben viel größere Zeitungen, aber da ist keiner angestellt. So muss ich zwar auch was an den Staat abdrücken, aber ich hab auch eine Sozialversicherung. Wenn ich krank bin, krieg ich trotzdem mein Geld. Und ich kann zum Arzt, wie Sie auch.

Die Frau Denninger hatte diese Idee und hat es dann auch umgesetzt. Das war ja gleich am Anfang -kurz nachdem die BISS 1993 gegründet wurde. Sie hat den Mooshammer an Land gezogen: nicht nur als Figur, sondern auch finanziell. Er hat uns immer viel unterstützt und sogar jetzt noch: Die Erben Mooshammer unterstützen uns ja auch noch heute.

Beim Verkauf geht es immer in 200er Schritten. Für die Festanstellung muss man mindestens 400 Magazine verkaufen. Dann kann man sich auf 600, 800, 1000, 1200 und dann sogar auf 1600 verkaufter Exemplare einstufen lassen. Aber die 1600 schafft nur einer. Der kommt nachher noch hierher. Er ist erst vor einiger Zeit 80 geworden und da haben sie hier sogar richtig gefeiert. Die Überraschung war, dass dann der Bischof sich die Geige geschnappt hat und ihm ein Ständchen gespielt hat. Aber nicht irgendwie stümperhaft, sondern so richtig gut.

Erst hab ich 600 Exemplare pro Monat verkauft, aber irgendwann kam der Chef und hatte die glorreiche Idee, mich auf 800 hoch zu stufen. Das hab ich dann auch geschafft und seit dem wurde ich auch nie wieder runter gestuft und verkaufe meine 800. Das ist wirklich ein gutes Gefühl.

Ich kann mir die Zeit komplett selbst einteilen. Ich arbeite an 6 Tagen in der Woche. Den Sonntag mach ich frei. Natürlich mach ich auch mal einen Nachmittag frei. Viele verkaufen bis zu 10 Stunden. Aber manchmal kann man das gar nicht so lange. Als es gerade so kalt war, ging das gar nicht. Auch wenn die U-Bahnhöfe ein bisschen wärmer sind: es ist doch auch saukalt geworden.

Ich mach den Job echt wirklich gerne. Natürlich ist es hart, 6 Tage zu arbeiten, aber das macht der Blumenverkäufer auch, der seine Blumen verkaufen möchte.

Und trotzdem wird man hier oft doof angemacht. Die Leute schauen auf uns runter und schätzen dich falsch ein. Vor kurzem ging an mir einer vorbei im Anzug und Mantel und hat mich sehr hochnäsig angesehen. Kaum war er um die Ecke hat er sich einen Flachmann aus der Jacke gezogen. Da musste ich schon ziemlich lachen: hochnäsig auf uns runter kucken und dann so früh den Schnaps brauchen. Ich brauche keinen Schnaps morgens um 6 Uhr! Ein Bierchen, vielleicht auch mal zwei, aber ich sauf nicht. Und wenn ich mal ein Bierchen trinke, dann erst nach Feierabend. Mei, als ich jung war schon. Ich hab mein Leben gelebt. Aber heute nicht mehr. Die letzten beiden Silvester hab ich sogar komplett ohne Alkohol verbracht. Da war ein Freund dabei, der ein trockener Alkoholiker ist und da haben wir dann einfach alle nichts getrunken. 
Aber die Typen, die uns blöd daher kommen, brauchen nur ein Ventil. Die wissen, dass die Verkäufer sich nicht wehren können. Die machen die Aldi-Verkäuferin aber genauso doof an, wenn sie mal 2 Minuten warten müssen. Meistens kann ich das ganz gut ignorieren, aber natürlich lass ich mir auch nicht alles gefallen. Als mir mal eine Frau das Geld einfach auf den Boden geworfen hat, hab ich sie gefragt, ob ich ihr die Zeitung auch vor die Füße schmeißen soll.

Gegen Naziparolen bin ich allerdings allergisch. Einmal kam einer und wollte mir eine Zeitung abkaufen und rief dabei immer Naziparolen. Dem hab ich gesagt: “Ich verkaufe Ihnen keine BISS!” Eigentlich wollte er sich über mich beschweren, aber ich hab mich erkundigt: er hat es nie getan. Ich muss niemandem etwas verkaufen – ich darf Leuten das verweigern. Und Naziparolen mag ich echt nicht. Viele schimpfen auf die Bulgaren und wir haben auch viele rumänische Kollegen inzwischen. Es kommen einige hierher, weil sie zu Hause keine Arbeit finden. Gerade bei den Putzleuten – z.B. hier am Marienplatz, am Stachus und am Hauptbahnhof – das sind ganz viele Rumänen dabei, weil sie gar keine Deutschen mehr finden bei dem Mindestlohn. Ich finde nur, dass jeder seine Gründe hat und daher können wir nicht alle über einen Kamm scheren

Aber ich verkaufe die BISS nicht nur, sondern ich schreibe auch für sie. In der Schreibwerkstatt kann man Artikel schreiben und man ist wie ein freier Journalist: wenn man Glück hat und es wird abgedruckt, bekommt man dafür das Geld. Das macht ja auch Sinn, denn in der Zeit, in der ich schreibe, kann ich ja auch keine Zeitungen verkaufen. Ich hab schon Artikel über Willy Brandt oder auch über die Polizei geschrieben. Oder aber auch über persönliche Geschichten, wie meine Freundin, die lange im Rollstuhl saß und die ich sie gepflegt habe. Sie ist jetzt vor kurzem gestorben und da hab ich auch einen Artikel geschrieben.

Ich hab auch mal über die Polizei, den Freund und Helfer geschrieben. Über persönliche Verbindungen kenne ich sogar zwei Kontakt-Polizisten. Die sind wirklich nett und ich habe auch noch nie Probleme mit Polizisten gehabt. Natürlich gibt es auch junge Polizisten, die noch nicht genug Erfahrungen haben, aber die meisten sind wirklich nett. Wenn sie mehr Erfahrung haben, ist ihnen die soziale Stellung wurscht und sie behandeln dich wie jeden anderen.

Ich mag diesen Job als Verkäufer sehr. Ich mache ihn ja auch schon echt lange. 2003 bin ich nach München gekommen. Vorher habe ich auf dem Bau und als Schausteller gearbeitet. Hier hatte ich dann eine böse Trennung: ich habe meine Freundin, der ich gerade einen Heiratsantrag stellen wollte, mit einem anderen im Bett erwischt. Ich hab zwei Wochen lange durchgesoffen, meinen Job verloren und dann ging alles ziemlich schnell bergab. Als ich bei der BISS als Verkäufer angefangen habe, wollte ich erst mal keine Festanstellung, auch wenn sie es mir angeboten haben. Aber das wollte ich nicht denn ich hatte ich noch ein anderes Ziel. Ich wollte ja nicht immer BISS verkaufen. Ich war ja mit 38 Jahren noch relativ jung. Die meisten fangen deutlich später an. Als ich dann nach dem Tod meiner Freundin, die ich im Rollstuhl gepflegt habe, wieder eingestiegen bin, hab ich die Festanstellung endlich angenommen. Und wahrscheinlich mach ich das noch bis zum Ende.

Aber ich mach den Job wirklich sehr gerne. Es gibt vieles Erfreuliches: viele Gespräche, man kennt sich, ich habe nette Stammkunden und ich habe meinen Freundeskreis auch so aufbauen können. Jeder weiss darüber Bescheid, was ich mache – ich erzähle ja keinem, dass ich Blumen verkaufe.”

König von Togo

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“Das hier ist der König von Togo und ich bin seine Frau. Meine Nachricht an alle Menschen wäre: liebt euch und habt Spaß im Leben!”

Die beiden habe ich auf dem Marienplatz bei einer Faschings-Veranstaltung getroffen. Natürlich hab ich nachgefragt: Die Kleider macht sie wirklich selber – jedes Jahr was Neues! Die beiden haben getanz und gelacht und ich würde mir so wünschen, dass es mehr solcher Menschen gibt!

13 Millionen

13 Millionen

“Ich bin hier geboren, aber meine Eltern kommen aus Sizilien. Ich hatte auch mal einen Job in einer Behindertenwerkstatt, aber die haben immer so viel Druck gemacht, dass ich einen Burnout hatte. Für die 210 Euro im Monat lohnt sich der Stress einfach nicht. Manchmal muss man eben auch mal an sich selber denken.

Jetzt laufe ich immer durch die Stadt. Bei mir ist sozusagen dauerhaft Sonntag. Für meine Grundsicherung ist gesorgt, ich muss keine Miete zahlen und so, aber richtig große Sprünge kann ich auch  nicht machen. Dieses Jahr konnte ich nicht mal zu meiner Familie nach Sizilien fahren.

In die Schule bin ich eigentlich ganz gerne gegangen. Aber ich hatte mal eine Lehrerin, die hat immer geschimpft. Wenn ich jetzt so zurückdenke, dann bereue ich es schon ein bisschen, dass ich die Zeit nicht mehr genossen habe. 6 Wochen lang Ferien im Sommer ist schon was Tolles.

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir 13 Millionen wünschen. Mit dem Geld würde ich mich für immer verpissen: nach Brasilien, an den Ballermann, nach Sizilien, Düsseldorf, Downunder, Berlin …

Warum Brasilien? Ach, ich liebe so alte Fernsehserien. Heutezusagen kommt ja immer nur der selber Scheiss, aber ich hab da so eine alte Serie angeschaut, die in Brasilien spielt, die ich sehr gerne mag.

Das einzige, was ich mich echt nervt, ist wenn jemand in der U-Bahn knutscht. Diese Pärchen, die Hand in Hand oder knutschend rumsitzen, nerven mich total. Da frag ich mich immer: was hat der, was ich nicht habe? Die Frauen sollten mehr auf die inneren Werte und nicht so sehr auf die äußeren Werte schauen. Wenn ich solche Pärchen sehe, dann werde ich echt sauer!”

Seele der Stadt

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“Ich bin Schauspieler und fahre nebenher Rikscha. Sich in andere Personen reinzuversetzen beim Schauspielern ist spannend. Ich sehe das oft so: jeder von uns hat viele Charakterzüge in sich – die einen sind stärker, die anderen weniger stark. Wenn ich jetzt eine Rolle spiele, dann drehe ich sozusagen an einem Rädchen und verstärke einen bestimmten Charakterzug an mir, der mir selber vielleicht sonst schwach ist, aber bei der Person, die ich darstelle, eben sehr stark. Manchmal ist es ein Gefühl, als würde man aufwachen nach dem Spielen und fragt sich dann: Hoppla, was war das denn an mir? Das Interessante daran ist dann, das reproduzierbar zu machen.

Eigentlich komme ich aus Berlin, aber ich bin schon recht lange hier und liebe München. Das ist meine Stadt geworden. Ich würde mir nur wirklich wünschen, dass diese Stadt ihre Seele behält. Überall entstehen mehr und mehr Ketten, Geschäfte und Wohnungen. Letzteres braucht die Stadt auch definitiv bei der aktuellen Wohnsituation, doch dadurch verschwinden auch kulturellen Stätten oder werden verdrängt. Ich hoffe sehr, dass auch die Politik hier ein Zeichen setzt dagegen und vor allem der Kultur und den Künsten ihre Freiräume schafft.“

Tango

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“Ich komme aus Wien und bin für dieses Wochenende nach München angereist. Ich tanze auf einem Tango-Festival/ Encouentro-Treffen. Das sind wundervolle Veranstaltungen und dieses hier nennt sich z.B “Munich Easter Tango Weekend“. Die TeilnehmerInnen kommen oftmals aus vielen verschiedenen europäischen und auch aussereuropäischen Ländern, auf Genderbalance wird seitens der VeranstalterInnen  penibel geachtet. Die Milongas werden von internationalen Tango-DJ’s bespielt, viele von Ihnen machen phantastische Musik und tanzbare Stimmung, sehr häufig traditionelle Musik aus den 40ern.

Jetzt war ich gerade in der Stadt, um ein bisschen Luft zu schnappen und in die Kulturhistorie Münchens einzutauchen. Morgen gibts den Englischen Garten und das Haus der Kunst.

Jetzt bin ich wieder auf dem Weg zurück und tanze wahrscheinlich bis in den frühen Morgen. Ich war schon auf vielen Encouentros, Festivals und internationalen Tangotreffen und es sind immer wundervolle musikalische, tänzerische und soziale Erlebnisse. Wahrscheinlich komme ich im Oktober zum Tango Marathon wieder hierher.”


“I am actually from Vienna and here only for the weekend. I dance at a tango festival. This is just a wonderful event and is called “Munich Easter Tango Weekend“. You just dance all the time, the participants come from everywhere and there are some fantastic tango DJs. I was just in the city for a while to get some fresh air and now I am heading back and dance until the early morning. I was at a few festivals and it is just a wonderful experience.”

Save

Golden Man, Golden Heart

“Früher wenn ich angefangen habe, mich anzumalen, sind die Kinder stehen geblieben und haben zugesehen. Das passiert leider heutzutage nicht mehr so oft. Vor einigen Tagen erst war ein Junge da, der mir von Anfang bis Ende wirklich zugesehen hat. Das war richtig schön, seine Freude zu spüren.

Ich mache diesen Job jetzt seit 20 Jahren. Seit 12 Jahren hier in München. Meine Familie wusste lange nichts davon. Es kommen Leute jedes Jahr wieder und machen ein Foto von mir und zeigen mir dann die Fotos von den vergangenen Jahren. Ich meine, sie haben die Fotos teilweise von vor 4 oder 10 Jahren noch auf ihrem Handy und zeigen es mir dann.

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Wenn die Kinder nicht wären, dann hätte ich es nie so lange ausgehalten. Sie geben mir alles, was ich brauche: ihre überraschten Gesichter, wenn sie erst minutenlang überlegt haben, ob ich wohl wirklich echt bin und ich mich dann doch bewege. Ihr Lachen, ihre Freude. Ich mach das nicht für Geld. Ich freue mich einfach nur, wenn sie es toll finden, was ich mache. Und wenn sie mir Respekt erweisen.

Nicht alle Leute sind immer respektvoll. Es gibt ein paar Leute, die mich anfassen oder sogar schlagen. Am schlimmsten ist es, wenn sie einfach von hinten kommen. Das kommt gottseidank nicht so oft vor, aber ich muss immer wachsam sein.

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Ich habe schon viele Farben ausprobiert, aber Gold passt gut zu mir – und meinen blauen Augen. Früher hab ich auch in Barcelona gestanden und da war ich Silber. Das sah auch echt super klasse aus. Aber leider gibt es die Grundstoffe für das Silber nicht mehr. Ich mache die Farben nämlich schon immer selber. Die Farben, die man kaufen kann, sind nicht gut für die Haut. Ich habe sogar eigene Mischungen für kaltes und warmes Wetter. Ich stehe hier ja auch im Regen.

Bis ich komplett fertig bin vergehen entweder 20 Minuten oder eine ganze Stunde. Das kommt darauf an, wie sehr es mir Spaß macht. Ich trage die Farbe mit dem Pinsel auf, weil das besser aussieht. Mit dem Schwamm wird es nie so gut. Mir ist jedes Detail wichtig. Ich habe das Podest, das Kostüm und die Farbe selber gemacht. Alles ist bis auf das kleinste Detail abgestimmt. Sogar der Bart ist mein eigenes Haar, das ich früher mal hatte – bis ich die Farbe mal falsch gemischt habe und mir meine Haare mit einem Küchenmesser vom Kopf rasieren musste, weil es so hart geworden ist.

Das einzige, was mir sehr weh tut ist, dass ich hier immer von Kindern umgeben bin und ich mit meinen eigenen Kindern kein Wort sprechen kann. Seit zwei Jahren habe ich nicht mehr mit ihnen gesprochen und das tut weh. Alle sagen, dass sie sich bestimmt irgendwann wieder melden, aber ich befürchte, dass das nie passieren wird. Ich habe so viel versucht. Ich hoffe wirklich, dass die Leute recht haben.”

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Auf dem Marienplatz werden jeden Tag Lizenzen für Straßenkünstler vergeben. Seit vielen Jahren steht eine ganz besondere Statue dort. Und wer Glück hat, und hinter seinem Lächeln den wahren Kern kennenlernt, hat ein goldenes Herz gefunden. Danke, lieber Adrian, dass du mir dein Herz geöffnet hast und ich bei deiner Verwandlung dabei sein durfte. Und in 10 Jahren sitzen wir bei dem versprochenen Bier zusammen und wir sehen, wer recht behalten hat. Von ganzem Herzen.

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“In former times when I started to paint my face the kids stopped and started watching me. Unfortunately in these days this is not happening so often anymore. Just a few days ago I little boy watched me from the beginning to the end. It was so nice to feel his joy.

I am doing this job for 20 years. Since 12 years in Munich. My family did not know about it for a long time. Some people come again and take pictures and then show me the pictures from previous years. I mean they have pictures form 4 or 10 years ago on their mobile and show this to me.

If it weren’t for the kids I would never have survived that long. they give me all I need: their surprised faces when I they have thought about me being real or not and when I then suddenly start moving. Their laughter, their joy. I am not doing this for the money. I am just so happy when they like it what I am doing and when they show me their respect.

Not all people are respectful. There are some people how touch me or even hit me. The worst part is when they attack me from the back. But this happens really rarely, but I have to watch out all the time.

I have tried quiet some colors but gold really suits me – and my blue eyes. Before I was in Barcelona and I was silver. This really looked awesome. But unfortunately after a while it was impossible to buy the basic ingredient for the silver after a while. I am doing all my colors myself. The colors you can buy, are really bad for your skin. I have different mixtures for cold or warm weather. I am standing here also when it rains.

It takes me between 20 minutes and one hour to get me completely ready. It depends on how much fun I have. I putting on the color with a brush, because this looks so much better. If you do it with a sponge it will never so good. Every details is important to me. I did it all by myself: the little podium, the costume and the colors. Everything little details is in sync. Even the beard is my own hair which I had before – until I did the wrong mixture of the color once and then had to cut my hair off my head with a kitchen knife because it became so hard.

The only thing what really hurts me is that I am surrounded by kids all day and I can not talk a single word to my own kids. I have not spoken to them for two years and that really hurts. Everyone says that in a few years they sure will contact me but I really fear that this will not happen. I have tried so much. I really hope that the people are right.”

At Marienplatz (the main square in the heart of Munich) they give out licenses for street artist every day. Since many years there is one very special statue. And if you are lucky and find the real core behind his smile, you will find a golden heart. Thanks, dear Adrian, that you opened your heart to me and that you allowed me to participate in your metamorphosis. And in 10 years we will sit together with this promised beer and we wil see who was right. From the bottom of my heart.

Marienplatz


“Ich arbeite hier an dem Kiosk seit 18 Jahren und mache es noch immer sehr gerne. Meine Chefs sind toll und man kann mit ihnen reden. Man ist hier immer unter Leuten und manchmal arbeite ich an der Allianz Arena. Ich hab es gerne beständig. Ich brauche keine großen Veränderungen.

Einen Traum? Ja, den habe ich: noch mal an die Nordsee fahren. Ich arbeite immer und das ganze Jahr. Ich mache keinen großen Urlaub, aber letztes Jahr hat mir meine Familie zu Weihnachten einen Urlaub nach Jüst geschenkt. Das war einfach großartig. Diese Luft und einfach mal anderes sehen!

Wissen Sie, letztendlich sind alle Wünsche ja immer irgendwie materiell, aber eigentlich ist das wirklich Wichtige die Gesundheit. Das ist alles was man sich eigentlich wünschen kann. Ich habe eine kranke Mutter, die ich auch noch pflege und einen Hund, der hoffentlich das Jahr noch überlebt und ein Haus voll Tiere. Ich bin  zufrieden und glücklich und meine Sorgen stelle ich jeden Abend vorm Schlafen gehen einfach vor dem Bett ab.”

Ich hoffe sehr, dass das hier die Familie inklusive der inzwischen erwachsenen Kinder noch liest: ihr hätte die Augen sehen sollen, als ich nach dem Traum gefragt habe! Diese unglaublich blauen Augen fingen bei dem Wort “Nordsee” unfassbar zu funkeln an!


“I am working here at the Kiosk Marienplatz for 18 years and I still love it. I have great bosses and I always can talk to them. You are always surrounded here with people and I like it. Sometimes I am also working at the Allianz Arena- for me one of my favorite spots in Munich. I really like continuity. I am not a big fan of big changes.

A dream? Yes, I have one: to go to the North Sea one more time. I am actually working all the time and all year long. I am not doing big vacations but last year my family gave me a trip to Jüst as a Christmas present. This was more than wonderful! The air was fantastic and just to see something different!

But you know what? In the end all dreams you have a some how commercial. But actually the real important thing is health. This is actually the only thing you should wish for. I have a badly ill mother I care of, I have a dog who might not survive this year and a house full of animals. But I am content and happy and when I go to bed I just leave my sorrows in front of the bed.”

I really hope her family including her kids are reading this: You should have seen the sparkle in these incredibly blue eyes when she said the word “North Sea”!