22 Jahre

Frühchen

Viertel: Neuried
Lieblingsort:
zu Hause
Beruf:
Assistenzkraft Kinderkrippe/Außenarbeitzplatz der Lebenshilfewerkstatt

– vorlesen lassen –

“Ich arbeite in einer Kinderkrippe mit den ganz Kleinen. Ich mache das sehr gerne, weil ich den Kindern im Alltag helfen kann, weil sie mich mögen, weil die Kinder da gerne hinkommen und weil ich dann direkt von den Kindern ein Lächeln bekomme. 

Wir hatten mal ein Kind in der Krippe, bei dem erst im Laufe der Zeit rausgekommen ist, dass es eine Behinderung hat und mir ist es mit als erstes aufgefallen. Wahrscheinlich, weil ich das auch von mir kannte: Ich bin nämlich als Frühchen in der 24. Woche auf die Welt gekommen. Ich war 30 cm groß und habe 640 g gewogen. Ich musste lange im Krankenhaus bleiben. Mit 5 hab ich dann erst laufen gelernt und mit 8 hab ich erst so sprechen können, dass mich alle verstehen. 

Jetzt bin ich die Assistentin der Erzieherin auf einem Außenarbeitsplatz der Lebenshilfewerkstatt und ich mache das wirklich sehr gerne: den Morgenkreis, Lätzchen anziehen oder beim Einschlafen helfen. Einfach alles! Gerade mache ich eine Fortbildung. Ich hab gemerkt, dass ich am Lernen noch immer Spaß habe. Und seit kurzem bin ich auch für eine Ausbildung angemeldet. Ich bin stolz darauf, dass ich das machen kann. Vor allem, dass ich mich das überhaupt trau: Allein mit den öffentlichen Verkehrsmitteln so weit weg zu fahren! Ich bin da immer sehr unsicher und übe das dann mit meiner Mutter vorher. 

Aber ich bin froh, dass ich diese Ausbildung überhaupt machen kann. Ich war nämlich in der Montessorischule im Förderbereich und so bekommt man keinen Schulabschluss. Und ohne Schulabschluss kann man keine Ausbildung machen. Das war uns lange nicht klar. Jetzt gibt es aber eine neue Ausbildung, für die ich keinen Schulabschluss brauche. Ich kann also endlich eine Ausbildung machen, denn sonst wäre ich immer ungelernte Kraft geblieben. Ich will noch weiter lernen, auch wenn es sehr anstrengend ist. In meiner Freizeit backe ich gerne Torten, baue Lego und fotografiere gerne. Früher bin ich auch geritten, aber dafür habe ich leider keine Zeit mehr.

Ich habe schon immer darum gekämpft, möglichst alles alleine machen zu können. Und daher ist es mir wichtig später auch mal möglichst selbständig zu leben. Am liebsten wäre es mir, wenn ich irgendwann mal eine Wohnung für mich alleine oder eine selbstgewählte WG hätte , mit ein bisschen Unterstützung in der Nähe. Damit ich auch so leben kann wie alle anderen.” 


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