35 Jahre

Kinderführerschein

Stadtviertel: Glockenbachviertel
Lieblingsort:
Zu Hause – es ist einfach immer wieder schön, zu wissen, da wartet jemand auf mich
Beruf:
Dozent für Make Up und Hairstyling in der Schöner Schule

– vorlesen lassen –

“Bei mir war schon immer der Kinderwunsch da und jetzt mit dem richtigen Partner an meiner Seite freue ich mich darauf. Wir sind noch in der “Anfangsphase des Kinderführerscheins”. Nach den Lebensberichten kommen jetzt Gesprächstermine, Wohnungs-Besichtigung, finanzieller Check, Analyse, ob unser Beziehung stabil ist, ob wir stabil sind … ziemlich intim und ganz schön emotional alles. Das Kind soll es ja mal gut bei uns haben und ich will alles richtig machen.

Wir als schwules Paar sind bei dem Prozess der Eltern-Auswahl wohl völlig gleichgestellt. Zwar könnte die Mutter bei Freigabe zur Adoption noch bestimmen, ob das Kind zum Beispiel bei einem homosexuellen Paar oder bei christlichen Eltern aufwachsen soll. Aber danach werden alle gleich behandelt. Leider kommt bei uns die Adoption nicht mehr in Frage. Aber nicht weil wir schwul sind, sondern weil mein Partner mit seinen 43 zu alt ist.

Daher haben wir uns für die Langzeitpflege entschieden, auch wenn wir wissen, dass das Kind dann evtl. schon mit ein bisschen mehr “Balast” kommt. Aber es sind Kinder, die aus ihren Familien genommen werden – und das hat meistens einen Grund. Bei Langzeitpflege geht es darum, dass das Kind einen längeren Zeitraum bei uns ist und es dann vielleicht dann zu einer Adoption werden kann – aber nicht muss.

Wir haben auch über eine Leihmutterschaft gesprochen. Sie ist in Deutschland nicht erlaubt, aber viele gehen dazu nach Amerika. Aber irgendwie fühlen wir uns bei dem Gedanken nicht wohl,  dass für uns ein Kind “produziert” wird. Ich weiss nicht, wie stark dieses Argument noch wäre, wenn wir es uns leisten könnten. Deshalb will ich auch niemanden verurteilen, der sich für diesen Weg entscheidet. Das wäre natürlich am einfachsten.

Und manchmal fühlt sich das dann doch irgendwie unfair an: zwei Menschen können aus 5 Minuten mehr oder weniger Spaß Leben entstehen lassen und das nur durch die Tatsache, dass sie Mann und Frau sind. Natürlich fühle ich da ein “Das hätte ich auch gern.” Und die müssen diesen Führerschein nicht machen.

Wenn ich solche Gedanken habe, dann lasse ich mich den auch denken und gebe ihm Platz, aber hänge mich nicht dran auf.  Ich habe gelernt, dass Gedanken kommen, – egal, ob wir wollen oder nicht. Aber wir entscheiden, wie wir damit umgehen. Alle Emotionen haben ihren Platz und ihre Daseinsberechtigung. Und wir können entscheiden, wie viel wir uns davon zumuten. Das hab ich von meinem Mann gelernt.”


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