42 Jahre

Dankbar

Stadtviertel: Untermenzing
Lieblingsort:
Dantebad im Winter
Beruf:
Projektmanagerin und Mutter

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“Ich bin im Moment einfach nur unendlich dankbar – dankbar, dass ich diese wirklich harte Zeit hinter mir lassen kann und dass zu meiner Familie, die bis vor sechs Wochen aus meinem liebevollen Ehemann und dem allertollsten Sohn der Welt bestand, nun auch eine zuckersüße Tochter gehört. Dass sie nach all diesen Jahren des Wartens gesund in unser Leben gekommen ist, ist keine Selbstverständlichkeit, das weiss ich mittlerweile leider nur zu gut.

Ich habe immer davon geträumt, viele Kinder zu haben, wie es auch viele andere sich für ihre Zukunft erträumen. Der Große kam so unverhofft in unser Leben gewirbelt, wir waren so wundervoll wenig vorbelastet. Und dann verstrichen die Jahre. Während in unserem Freundes- und Bekanntenkreis die zweiten, dritten und sogar vierten Kinder kamen, durchlebten wir eine Zeit, die geprägt war von Hoffnung, Geduld, Trauer und vielen Tränen. Schwangerschaften kamen und endeten, ohne dass wir ein Baby im Arm halten konnten. Es war eine unglaublich harte Probe, für mich persönlich, und natürlich auch für uns als Paar und als Familie.

Wie die Gesellschaft und auch manche Menschen im nahen Umfeld mit uns umgegangen sind hat mich immer wieder verletzt. Mir ist klar, dass das nie jemand böse gemeint hat. Aber die Leute machen so viele unbedachte Kommentare oder fragen so intime Dinge, dass ich oft nicht wusste, wie ich damit umgehen soll. Unzählige Male wurde ich in den unpassendsten Momenten gefragt, wann das zweite Kind kommt, warum ich denn kein zweites Kind habe oder, noch schlimmer, warum ich kein zweites Kind möchte. Meistens habe ich sehr oberflächlich geantwortet aber getroffen haben mich die Fragen eigentlich immer. Und wenn ich mich dann mal geöffnet habe, kamen Worte wie “Ach, das wird schon.” oder sogar “Dann soll es halt nicht sein.” Dabei hätte ich mir in solchen Momenten gewünscht, dass man einfach meine Trauer akzeptiert.

Gerade weil ich schon ein Kind habe wurde meine Situation gefühlt nicht ernst genommen, oder sogar klein gemacht: “Sei doch froh, dass du schon ein Kind hast. Es gibt Leute, die haben noch nicht mal eines.” Das war sehr verletzend. Natürlich bin ich froh! Aber mein Wunsch, noch einmal Mama zu sein, wird doch nicht kleiner, weil ich schon ein Kind habe. Oder weil jemand anderes weiter oben steht auf einer fiktiven Kinderwunschtrauerskala. Und die Trauer um unsere verlorenen Kinder wird uns immer begleiten.

Dabei wäre es so wichtig, dass wir darüber reden – für jeden persönlich, aber auch für uns als Gesellschaft. Nach der Geburt unserer Tochter merke ich, dass die Schwere dieser vielen Jahre des Wartens und Hoffens noch größer war als ich es tatsächlich zugelassen habe. Und die Traurigkeit über das Schweigen vieler Freunde und Bekannte. Deswegen habe ich mir vorgenommen, mit dem Thema offener umzugehen. Es betrifft so viele und es wäre so eine Erleichterung und so wichtig, wenn man einfach viel mehr darüber sprechen könnte. Und wenn es nur dazu dient, dass jede Frau, der so was ähnliches passiert, weiss: Du bist nicht alleine. Du bist normal. Und du darfst wütend und traurig sein.”


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