48 Jahre

München war gut zu mir

Stadtviertel: Waldtrudering
Lieblingsort:
Brücke am Flaucher
Beruf:
freier Software-Entwickler

“Momentan beschäftigt mich primär mein Abschied von München. Ich wohne seit 98 hier und München war gut zu mir. In den letzten Jahren konnte ich mir noch nicht vorstellen, die Stadt hinter mir zu lassen, weil ich noch einen sehr geilen Job mit sehr guten Leuten hatte. Als ich dann letztes Jahr “leichte” Burnout-Erscheinungen im Job bekommen habe, haben wir beschlossen, unser Haus zu verkaufen, unsere Jobs zu kündigen und in den hohen Norden zu ziehen. 

Und München war wirklich gut zu mir: Ich kam aus dem Harz, hatte eine Lehre als Werkzeugmechaniker, auf dem Bau gearbeitet und war bei der Bundeswehr. Ich fühlte mich dort immer ein wenig als Aussenseiter: der Einzige, der programmieren konnte, dessen Hobbies schon immer ein bisschen anders waren. Die Vermutung lag nahe, dass es irgendwo anders irgendwie geiler ist für mich.

Und so habe ich mich in München in verschiedenen Firmen vom Marketing zur Programmierung immer weiter hochgearbeitet und mich dann selbständig gemacht. Es ging immer weiter und die Firmen und Kunden waren meistens ziemlich zufrieden mit mir. Aber so sehr die Leute auch versucht haben, mich zu integrieren, ich bin immer ein Einzelgänger geblieben. Bis ich zu meiner jetzigen Firma gekommen bin.

Ich habe aktiv meine Komfortzone und Unabhängigkeit aufgegeben und bewusst entschieden, mich auf andere Leute einzulassen. Ich wusste, wir können zusammen mehr erreichen. Bei fast jeder Person, die neu hinzugekommen ist, war mein alter Reflex zwar noch zu denken “Wer ist denn das?”. Aber ich habe bewusst versucht, meine innere Abgrenzung fallen zu lassen und mir zu sagen, ich lasse mich auf sie ein. Und das wurde meistens belohnt. Das war tatsächlich für mich eine Lernerfahrung. Es ist schön mir das nun auch im Nachgang bewusst zu machen. Meine Crew war gut zu mir und hat mir so viel Vertrauen gegeben; ich habe mich davor selten Anderen gegenüber so nahe gefühlt. Ich habe so viel Selbstvertrauen bekommen, dass ich sogar angefangen habe, Musik zu machen. So wird mir bewusst, dass jedes Mal, wenn ich mich aus meiner Komfortzone raus bewegt habe, was Gutes bei rumgekommen ist und ich wünsche mir, dass ich dieses Gefühl und diese Erinnerungen nicht verliere.  Auch nicht, wenn ich mich in ein paar Wochen noch mal komplett aus der Deckung wage und ans andere Ende von Deutschland ziehe.”  

Hör dir die ganze Geschichte hier an – vorgelesen von einer Erzählerin.