61 Jahre

Menschen

Stadtviertel: Neufarn
Lieblingsort:
Der Blick auf den Friedensengel von der Prinzregentenstraße aus, die Theatinerkirche, der Viktualienmarkt und die Isar
Beruf:
Berater

– vorlesen lassen –

“Kenne deine Privilegien und gehe “humble & decent” – also bescheiden, ehrenhaft und verlässlich durch’s Leben. Auch wenn es mir nicht immer genau so gelingt, sind mir diese beiden Dinge wirklich wichtig im Leben und ziehen sich durch so viele Bereiche:

Wenn ich als weißer, alter Mann mit einem Jacket in der U-Bahn stehe und es kommt zu einer Messerstecherei, dann werde ich nicht überprüft. Es werden nur die kontrolliert, die anders aussehen. Am Ende des Tages ist es eine sich selbst erfüllende Prophezeiung und für mich ein Privileg: zu wissen, dass ich das Problem nicht habe. Und es ist wichtig, sich dieser Privilegien bewusst zu sein: bestimmte Sachen erwartet man von dir, die man auch von anderen nicht erwartet. Da muss man schon ganz genau aufpassen als alter, weißer Mann.

Eine Zeit lang habe ich mich gefragt, wo ich dazugehöre. Aber irgendwann kam dann der Punkt, an dem es wichtiger wurde, mit wem ich zusammen bin und wie ich die Zeit mit diesen Menschen verbringe. Denn woher weiss ich, wann es das letzte Mal ist? Wie bei meinem Freund, dessen Anruf ich verpasst habe und ich ihn dann leider nicht mehr zurückrufen konnte, weil der Krebs gewonnen hat. Also auch hier: humble & decent.

Das ganze kann man auch auf die Diskussion um Corona gut anwenden: Ich maße mir nicht an, die 20.000 zum Thema Corona veröffentlichten Papers zu lesen, zu verstehen und überprüfen zu können. Ich diskutiere auch nicht in der Apotheke mit der studierten Pharmazeutin oder in meinem Haus mit dem gelernten Heizungsbauer. In diesen Bereichen kennen die sich aus. Ich nicht. Jetzt gibt es aber Leute, die genau das machen und Behauptungen über diese Pandemie aufstellen, die der Wissenschaft widersprechen. Diesen Ansatz finde ich unglaublich arrogant. Da finde ich es viel spannender, dass ein Drosten sagt: “Ich bin Virologe. Ich kenne mich mit Epidemiologie nicht aus.” Das meine ich mit humble & decent. Denk doch mal kurz darüber nachdenken, was du wirklich weißt. Denn wenn du mal ganz genau hinschaust, dann weisst du so Scheisse wenig. Und das bisschen taugt nicht, veröffentlicht zu werden. Vor allem aber lohnt es sich nicht darum zu streiten.

Wenn uns dieser Virus was gezeigt hat, dann dass unsere Lebensgrundlage von einem Tag auf den anderen weg sein kann. Unverschuldet. Wirte, Schauspieler, Theaterbesitzer. Und daher: know your privileges, know your place and be humble and decent.”


Lass Dir die Geschichte von einer Erzählerin vorlesen: