67 Jahre

Neugierig und liebenswert

Viertel: Au
Lieblingsort:
mein zu Hause am Bach
Beruf:
Rentnerin

– vorlesen lassen –

“Bei mir hat in den letzten Jahren viel Umbruch stattgefunden: u.a. die Scheidung einer unglücklichen Ehe und das Ende meines Arbeitslebens. Aber meine Familie hat mich aufgefangen. Meine Tochter und meine Enkeltochter sind ein ganz wichtiger, emotionaler Bestandteil von mir. Aber auch meine Wohnung liegt mir sehr am Herzen: direkt am Bach, mit den Bäumen, mitten in der Stadt. Und so komme ich aus einer Zeit der Umbrüche und komme jetzt zur Ruhe.

Jetzt schau ich, was ich gern mache. Bisher sind es noch nicht die großen Reisen im ausgebauten VW-Bus, die ich mir vorgestellt hatte. Wegen meiner Tochter und meinem Enkelkind mag ich noch nicht so lang weg sein. Auf der anderen Seite mach ich viele andere Sachen: ich liebe z.B. die Seminare an der Volkshochschule. Dort lernt man tolle Leute kennen und ich finde viele Sachen spannend: Bühnenpräsenz, Impro-Theater, Aquarell und Acryl, Tanz und Entspannung.

Durch meine Tochter bin ich auch an Themen wie Antidiskriminierung und Antirassismus sehr interessiert. Gerade hab ich ein Seminar “Social Justice” gemacht und merk, was so unbewusst alles in uns steckt an Vorurteilen und wie man erzogen worden ist – diese weiße Europäer-Sicht. Wenn ich dann versuche, mit Leuten meiner Altersklasse darüber zu reden, merke ich viele Widerstände. Bei mir schon teils auch, aber ich bilde mich weiter. Gerade unsere Generation sollte was tun!

Ich hab zwar den Krieg nicht erlebt, aber die Nachwirkungen sehr wohl! Wir hatten die Altnazis noch in der Schule. Deshalb finde ich es jetzt ganz wichtig: Wehret den Anfängen! Gerade weil es schon wieder Tendenzen gibt. Ich möchte mich nicht in die Angst begeben, aber ich bin in Sorge. Oder besser: ich sehe uns in der Verantwortung, dass wir nicht wegschauen.

Mir ist es wichtig im Leben, neugierig und liebenswert zu sein. Ich hab natürlich auch meine Kanten und Grenzen. Aber dabei liebenswert zu bleiben, ist so wichtig. Wenn ich Leute sehe, die alles negativ sehen, macht mich das traurig. Ich bin ein Mensch, der die Dinge eher positiv sieht. Und so möchte ich es auch weiter halten – egal, wie fassungslos mich auch manchmal diese Welt mit Ihren Pandemien und Kriegen macht.”


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