68 Jahre

Mein Lieblingstheater

Stadtviertel: Maxvorstadt
Lieblingsort:
Der unfassbare hässliche, aber ungemein heimelige Rotkreuzplatz
Beruf:
Schauspielagentin

– vorlesen lassen –

“Fast 20 Jahre habe ich das Künstlerische Betriebsbüro im Münchner Volkstheater geleitet – war also für die Verbindungen zwischen den Künstlern und der anderen Gewerke eines Theaterbetriebes zuständig. Das war einfach eine tolle Zeit. Ich habe erlebt, wie das Theater am Stiglmayerplatz aus der Baugrube heraus eröffnet wurde. Ich durfte tolle Menschen kennenlernen und konnte Freundschaften fürs Leben schließen. Davon zehre ich heute noch.

Der Intendant Jörg-Dieter Haas hat das Haus der Stadt abgerungen und konnte das Theater 1983 eröffnen, das Ruth Drexel nach 5 Jahren übernahm. Ich seh’s heute immer noch vor mir, als abends endlich die Eröffnung war: bis zum letzten Moment hörte man die Handwerker den Teppichboden noch festklopfen. Wir alle waren sehr erschöpft, aber es war ein glücklicher und erfolgreicher Beginn. Die Premierienfeiern waren legendär und endeten meist in den frühen Morgenstunden in der Requisite. 

Unvergessen bleibt mir einer dieser Abende. Wir saßen dort unter einem Tisch, uns gegenüber saßen der Pfeifen rauchende Franz Xaver Kroetz mit Veronika Fitz und auf dem Tisch tanzte Veronika von Quast. Oder als Gerd Lohmeyer nach einer gelungenen Premiere zum Schlussbild seine kleine Tochter Luzie auf dem Arm mit auf die Bühne genommen hat, was natürlich verboten war.  Oder all die Katastrophen, wie mitten im Stück ein Schauspieler die Bühne verließ, weil ihm schlecht wurde und nach einer kurzen Pause der Kollege aus dem Residenztheater herbeieilte, der den Part parat hatte und quasi übergangslos einspringen konnte. Das hätten wir wirklich alles aufschreiben müssen. Diese Erinnerungen vergißt man nicht. Man hat bei jeder Aufführung wieder gezittert, ob alles gut läuft, immer nach dem Motto: The Show must go on.

Nach dem Ende meiner Tätigkeit wagte ich einen Neuanfang als Schauspielagentin. Ich wollte noch einmal etwas Neues beginnen. Aber als ich damals meinen Schlüssel für das Theater abgegeben musste, liefen natürlich die Tränen. Ich habe mir ein kleines Stück vom Bühnenboden mitgenommen, denn das Münchner Volkstheater gehört zu meiner Vita und ist mir sehr wichtig. Ich bewundere die Arbeit von Christian Stückl und bin ein Fan des neuen Münchner Volkstheaters in der Tumblinger Straße. Es ist für mich eine große Freude zu sehen, dass dieses tolle Theater durch eine neue Generation zu einem nicht wegzudenkender Teil dieser Stadt geworden ist.

Inzwischen führe ich meine eigene Schauspiel-Agentur und könnte mich eigentlich aus dem Beruf zurückziehen. Aber es macht mir einfach noch zu viel Spaß, ein Part dieser inspirierenden, schöpferischen, durchgeknallten, anstrengenden, phantasievollen und liebenswürdigen Menschen in dieser Branche zu sein und so mach ich einfach weiter. The Show must go on.”


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