71 Jahre

Zusammen

Viertel: Obersendling
Lieblingsorte:
Viktualienmarkt, die Biergärten im Münchner Süden
Beruf:
Rentnerin, ehem. Kunsttherapeutin

– vorlesen lassen –

“Geboren wurde ich in einem kleinen kurpfälzischen Dorf, in das meine Familie wenige Jahre zuvor nach den Wirren des Krieges als Vertriebene aus Südmähren kamen.
Für meine Eltern war klar: So schnell es geht, bauen wir ein Haus, ein neues Zuhause für unsere drei Kinder.
Es war ein gastfreundliches Haus, in dem zeitweise 5 Generationen zusammenwohnten. Die Geborgenheit der Großfamilie mit all ihren Turbulenzen und der Zusammenhalt waren für mein Leben prägend, aber auch die schmerzlichen Gefühle des Verlustes meiner Urgroß- und Großeltern.

Dass ich selbst später sehr oft umgezogen bin, hat möglicherweise mit den Erfahrungen meiner frühen Kindheit zu tun, wo das Leiden unter dem Verlust der Heimat für mich spürbar war. Mich nicht an einen bestimmten Ort zu binden, schien mir wohl unbewusst eine Lösung zu sein. Heute kann ich sagen, wichtig ist, dass wir das, was uns an Schwerem in die Wiege gelegt wurde, zu erkennen, um uns im Innern von Leiden zu befreien und an den glücklichen Erlebnissen anknüpfen zu können.
Jetzt träume ich davon, mit all meinen Lieben in einem großen Haus zusammenzuleben. Ein Traum eben … Aber wer weiß, was das Leben noch für Überraschungen bereithält.

Zusammen mit anderen etwas Sinnvolles zu schaffen war mir immer ein Anliegen.
In meiner Heidelberger Zeit war ich an der Gründung des Frauenhauses beteiligt, später mit den kleinen Kindern in München baute ich mit anderen Müttern zusammen das Sendlinger Mütterzentrum auf, es wurde zu unserem erweiterten Wohnzimmer und Untersendling zu meinem Dorf, wo ich mich zu Hause fühlte und eine glückliche Zeit verlebte.
Über 20 Jahre habe ich als Kunsttherapeutin gearbeitet, häufig mit Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten. Hier spannte sich ein Bogen zu meiner eigenen Familiengeschichte.

Unsere drei Kinder bescherten uns sieben Enkelkinder. Jedes einzelne ein großes Geschenk! Ich bin leidenschaftlich gerne Oma. Mein Mann und ich genießen es, dass wir da sein können, wenn wir gebraucht werden. Früher dachten wir: „Wenn wir mal in Rente sind, werden wir den Winter irgendwo im Süden verbringen.“
Aber das könnte ich nicht genießen! Mir würden unsere Kinder, Enkel und unser Freundeskreis fehlen. Ich brauche mein soziales Leben hier, gemeinsame Wanderungen, Austausch, meinen Chor…

Es gibt zwar Dinge, die ich heute anders machen würde aber im Grunde bin ich sehr zufrieden mit dem, was war.
Vor allem, dass ich häufig das Gefühl hatte, etwas Sinnvolles zu machen und anderen weiterhelfen zu können.
Und ich bin stolz auf unsere Kinder! Es macht mich glücklich, wenn ich beobachte, wie liebevoll und fürsorglich sie mit ihren eigenen Kindern umgehen, wie sie die Herausforderungen ihres Alltags zwischen Beruf und Familienleben annehmen und meistern. Es ist ein schönes Gefühl, sicher zu sein, dass sie das gut machen.”


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