85 Jahre

Ruhe

Stadtviertel: Innenstadt
Lieblingsort:
Mein Verkaufsstand
Beruf:
BISS Verkäufer

– vorlesen lassen –

“Seit 1958 bin ich hier in München und in den letzten 10 Jahren wurde mir der Antrag auf Einbürgerung schon zweimal abgelehnt. Ich wollte schon fast aufgeben und ehrlich gesagt hab ich auch nicht mehr dran geglaubt, dass es noch klappen würde. Aber die BISS hat mir geholfen noch ein drittes Mal den Antrag zu stellen und dieses mal ist mir das genehmigt worden.

Das ist wirklich was Überwältigendes. Bis jetzt war ich kein normaler Mensch. Durch die Einbürgerung bekomme ich jetzt endlich einen richtigen Pass, mit dem ich überall hin kann und brauche nicht immer wieder Angst haben, ob meine Ausweise ablaufen oder ob ich vielleicht von der Polizei festgenommen werde. 

Die ganze Zeit war ich staatenlos, denn ich bin vom tschechoslowakischen Militär desertiert. In Deutschland hab ich kein politisches Asyl bekommen und durfte nicht arbeiten. Als ich dann durfte, hat mich niemand für 6 Monate eingestellt – denn ich war immer von einer Abschiebung bedroht. Das ging 40 Jahre lang.

Aber die BISS hat mich dann trotz meiner Probleme angestellt und inzwischen arbeite ich seit 29 Jahren bei der BISS. Ich bin nie zum Sozialamt gegangen, hab meine Miete immer selber bezahlt, war nie krank und hab noch nie Urlaub gemacht.Die Leute sagen immer, dass sie es bewundern, weil ich so fleißig bin. Jeden Tag sitze ich hier. Früher waren es immer 9 Stunden, aber inzwischen fällt mir das nicht mehr so leicht. Ich habe auch schon ein paar Beschwerden, aber ich komme noch jeden Tag hierher. Ich weiss, man muss sich bewegen muss, sonst werden die Beschwerden noch schlimmer. 60 Jahre lang bin ich Marathon gelaufen und das hat mich lange fit gehalten. Ich bin insgesamt ca. 200.000 km gelaufen, aber nie Wettbewerbe, sondern immer nur für mich – für meine Gesundheit.

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir wünschen, dass ich mich zu Ruhe setzen könnte. Gottseidank bekomme ich inzwischen meine Teilzeit-Rente, über die Herr Mooshammer zu seinem Tod noch entschieden hat. Das hilft schon mal ein bisschen, denn damit muss ich nicht mehr ganz so viel arbeiten.”


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