86 Jahre

LEBEN

Lieblingsorte: Innenhof der Glyptothek
Beruf:
Kunsttherapeutin
Viertel: Lehel

– vorlesen lassen –

“Ich habe viel zu erzählen, weil ich in meinem Leben sehr mutige Schritte gemacht habe. Ich bin 37 geboren, und meine Mutter und ich haben uns alleine durch den Krieg gebracht. Nach Kriegsende bin ich nach dem Abitur als Au pair-Mädchen nach Paris gegangen. Ich hatte wohl schon immer einen großen Freiheitsdrang: studiert habe ich in Heidelberg, Montpellier, Freiburg und München. Nach einem Jahr in Houston, Texas habe ich dann in München als Gymnasiallehrerin für Englisch, Französisch angefangen. Ich war eine beliebte Lehrerin. Gerade in der Phase der 68er habe ich mich mit meinen Schülerinnen verbündet. Das war eine wilde, sehr bewegte und hochinteressante Zeit!

Aber eigentlich wollte ich nie wirklich Lehrerin sein, und so bin ich irgendwann psychisch vollkommen zusammengebrochen. Mit Hilfe von viel Therapie habe ich es aber geschafft, meine Probleme zu bewältigen. Irgendwann war es mir möglich, die Schule zu verlassen. Ich hatte in den Jahren vorher parallel eine Zusatzausbildung in Tiefenpsychologie gemacht und unter anderem in einem Zen-Zentrum, gegründet von Graf Dürkheim, gelebt. Dort habe ich auch die therapeutische Methode gefunden, die ich dann zu meinem Beruf gemacht habe: die Arbeit am Tonfeld®. Das war der Glücksfall meines Lebens! Die Methode war gerade im Entstehen und ich habe ihre ganze Entwicklung mitgemacht. Damit habe ich dann außer in Deutschland sehr oft im französisch sprechenden Ausland gearbeitet und bin viel herumgereist. Eine unheimlich bewegte, reiche und mich fördernde Zeit.

Als ich 70 wurde, habe ich in München die Barbos Stiftung gegründet. Wir bieten emotional schwierigen Kindern und Jugendlichen aus sozial bedürftigen Schichten kunsttherapeutische Hilfe an. Ich habe in den folgenden Jahren die Stiftung immer weiter aufgebaut – und das mit einer nur dünnen finanziellen Grundlage und daher auf Spendenbasis. Ein sehr mühseliges, aber ebenso lohnendes Engagement!

Und so komme ich zum letzten Kapitel. Ich wollte eigentlich arbeiten bis ich 90 bin. Aber vor 1,5 Jahren bin ich körperlich vollkommen zusammengebrochen. Allein letztes Jahr war ich achtmal im Krankenhaus und wäre zweimal fast gestorben! Aber ich bin ein Stehaufmännchen, und es geht mir heute den Umständen entsprechend wieder gut. Ich musste meine Wohnung, mein Auto, meine Praxis und meine Autonomie aufgeben und mir eine neue Haltung erwerben. Und ich habe das tun dürfen. Dabei hat mir die Erfahrung mit meiner Methode “Arbeit am Tonfeld” enorm geholfen. Und ich habe es gepackt. So gut, dass ich gerade eine Statistenrolle in den Kammerspielen übernommen habe. Denn es geht um das LEBEN. In Großbuchstaben. Und alles ist Leben.”


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