People Portrait

Icecream and Schnitzelsemmel

"Ich bin freischaffender Künstler. Ich habe eine Graffiti-Vergangenheit. In meiner Kunst geht es inzwischen um die Ikonisierung von Alltagsgegenständen. Sehr viel Food, gerne Junk-Food, Süßigkeiten, Ice Cream und derart.

Zum Beispiel hängt in dieser Ausstellung hier ein „In-N-Out-Burger“, den ich in LA gegessen habe. Oder ein „Raketen-Eis“, das zu meiner Kindheit in den 80er Jahren in Deutschland mal gelaufen ist und in der Schweiz auch immer noch am Kiosk verkauft wird. Oder eben eine „Schnitzel-Semmel“ oder eine riesige „Disco-Kugel“ auf einer Ameise – ein letztes Foto aus unserem ehemaligen Ateliergebäude MMA. Ich verarbeite also so ein bisschen auch meinen Alltag.

Graffiti ist ja eine schnelle Geschichte. Deshalb verwende ich immer noch gerne die Sprühdosen – jetzt eher mit Stencils. Das heißt, ich schneide für jede Farbe eine eigene Schablone und dann wird das gesprüht. Je nach Aufwand der Schablonen entsteht so recht schnell ein Bild, oder auch mehrere des gleichen Motivs, die sich in ihrer Farbgebung unterscheiden können. Eine Serie also.

Mit den Sprühdosen habe ich die Möglichkeit, viel mit kräftigen Farben, mit Glitzer, Neon oder Glow-in-the-Dark zu arbeiten. Ich liebe Crazy Colors :)

Der Rest ist frei nach Andy Warhol: Male das, was du gern magst. Er ist so mit Dollar-Noten und Campbell-Suppen berühmt geworden, und ich male halt gerne Ice Cream und Schnitzel-Semmel. Es macht mir tatsächlich riesige Freude, Gegenstände, die eigentlich ganz alltäglich sind, ins Rampenlicht zu rücken. Ich finde Alltägliches also inspirierend.

Ich bin ein Einhorn. Es heißt ja, nur 1–3 Prozent der Künstler können von ihrer Tätigkeit leben, und ich gehöre zu diesen wenigen. In München kenne ich vielleicht noch eine Handvoll, die in einer ähnlichen Situation sind. Der Rest hat noch einen anderen Job, der meistens weniger als mehr mit Kunst zu tun hat.

Der große Unterschied ist wahrscheinlich, dass es mir wirklich wichtig ist, mich selbst zu positionieren, und dass ich das Verkaufen bzw. Geld an und für sich nicht negativ stigmatisiert habe. Wenn alle sagen „Kunst ist brotlos“, mache ich halt einfach nicht mit.

Von zu Hause aus habe ich immer mitbekommen, dass Kunst gut ist und daher auch eine gewisse Förderung erfahren. Alleine schon, dass meine Eltern mein Interesse grundsätzlich nie infrage gestellt haben. Mit 15 habe ich ja schon angefangen, Graffiti zu malen, und habe da auch gleich schon mit Aufträgen erstes Geld verdient. Da musste ich also nie mit meinen Eltern kämpfen, dass das nur ein „Hobby“ ist und der Bub schon noch vernünftig wird. Das fördert einfach schon mal ein grundsätzliches Selbstbewusstsein.

Von meinem Opa habe ich dann vermutlich noch den Geschäftssinn geerbt. Es ist für mich nicht verwerflich, meine Arbeiten zu verkaufen und mich als Charakter authentisch zu inszenieren. Kommt dazu, dass ich auch professionell Musik gemacht habe und dadurch kein Problem in der Interaktion mit Menschen habe. Aufmerksamkeit macht mir nichts aus. All das sind aber Fähigkeiten, die jeder lernen kann.

Ich glaube, ich habe mich auch nie zu krass auf diese Anti-Kapitalismus-Kritik eingelassen, also mich in einer Art (bequeme) Opferrolle begeben. Ich sehe dieses System (Leistung in Geld tauschen, dein Kapital als Möglichkeit für dich) ganz klar als Chance, dass ich mein Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalte. Nur ich selbst bin mein Limit. Dadurch fühle ich mich sehr frei in meiner Existenz – bis dahin, dass ich kein Auftragsmaler mehr bin, sondern das produziere, was ich will. So kann ich meinen privaten Anarchismus, meine eigene Leitkultur leben.

Ich halte mich an ein gesellschaftliches, soziales Miteinander – dazu gehört auch Steuern zahlen, was jedem Einzelnen von uns eine funktionierende Infrastruktur garantiert – aber ansonsten bin ich in der Gestaltung meines Lebens völlig frei. Das ist eigentlich die maximale Unabhängigkeit für mich. Und das ist für mich ein sehr hohes Gut.

Es gibt ja Hardliner, die sagen, dass Kunst, die verkauft wird, keine Kunst mehr ist. Ich sage allerdings, dass wir immer Anstrengungen unternehmen müssen, um Essen und Unterkunft plus X zu haben. Früher die Kartoffeln vom Feld auf den Tisch, heute Beschäftigung für Geld, um Rechnungen zu bezahlen. Wir bauen halt nicht mehr die Kartoffeln selbst im Garten an, um uns zu versorgen. Zumindest ist das für mich persönlich nicht die bessere Alternative. Denn ich will ja als Tätigkeit nichts anbauen, sondern malen. Daher ist es für mich selbstverständlich, dass ich mit meiner Kunst auch mein Geld verdienen will.

Die Doktrin „Künstler müssen leiden, um zu schaffen“ ist unwahr und sollte man als aufstrebender Künstler ganz zu Beginn schon mal bewusst streichen. Solche Klischees verunsichern nur, auch lustig gemeint, und fördern im schlimmsten Fall nur die Bequemlichkeit, eine andere Tätigkeit als Lebensinhalt zu akzeptieren.

Letztendlich ist es für mich persönlich unattraktiv, einen Job auf Anweisung anderer zu erfüllen, welcher dann oft auch noch schlecht bezahlt wird und mehr der Selbsterfüllung eines Chefs dient, der dann vielleicht auch noch reich und unabhängig damit wird. Dazu kommt, dass derart gestaltete Betätigung nichts mit mir und meinen Interessen zu tun hat. Ich will Ich sein und tun. Das war für mich aber schon eine sehr frühe Entscheidung – nämlich mit 15.

Selbstbestimmt und eigenverantwortlich – das ist meine Definition von Freiheit. Dass ich also das machen kann und mache, was ich für mich als sinnvoll empfinde. Aber ich habe das Gefühl, oft sind sich die Menschen nicht bewusst, dass das nur in einem so liberalen Land und sozialmarktwirtschaftlichem System geht, wie wir es in Deutschland haben.

Wir brauchen nur andere Länder beobachten, was politisch gerade abgeht … es gibt immer mehr lauten Populismus, Fake News und Unterdrückung Andersdenkender – also doch wirklich nicht so geil. Wir alle sollten immer versuchen, es besser zu machen, auch in Deutschland. Unsere individuellen Unterschiedlichkeiten sind wertvoll: respektvoller Umgang miteinander, Chancengleichheit, Equal Pay, Gender, bedingungsloses Grundeinkommen, Inklusion, Hilfestellung für Schwächere und so weiter. Ich bin überzeugt, all das bringt uns weiter und ist – je automatisierter, kommunikativer und erkenntnisreicher wir werden – auch die einzige logische Konsequenz in der menschlichen Entwicklung."

Ich habe Eliot diesmal auf einer tollen Ausstellung im Köşk getroffen. Wenn ihr noch mehr über Eliot und seine Kunst erfahren wollt, dann checkt doch mal seine Website aus: https://www.eliot-the-super.de/